Offener Brief: RWE/E.ON-Transaktion

Gemeinsam mit meinen Bundestagskolleg*innen Julia Verlinden, Katharina Dröge und Oliver Krischer habe ich einen offenen Brief an die EU-Wettbewerbskommissarin Vestager.
Mein Pressestatement dazu:

Es ist die Verantwortung von Politik, die Bürger vor der Übermacht großer Konzerne zu schützen. Daher begrüßen wir es, dass die Wettbewerbskommission einen intensiven Blick auf den geplanten Deal wirft. In der Debatte tauchen offene Fragen auf, die im Sinne der Stromkunden geklärt werden müssen. Jahrelang haben die Konzerne den Sprung in die Energiewelt von morgen verschlafen. Aus dem Tiefschlaf erwacht, versuchen sie durch eine Aufteilung des Marktes Pfründe zu retten. Es muss verhindert werden, dass am Ende die Stromkunden für die Versäumnisse der Konzerne zahlen.

Offener Brief: RWE/E.ON-Transaktion

Sehr geehrte Frau Kommissarin Vestager,
die im Jahre 1998 begonnene Liberalisierung des Energiemarktes der Europäischen Union ist eine Erfolgsgeschichte. Eine immer breitere Akteursvielfalt und ein daraus resultierender Wettbewerb haben die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa gestärkt. Seit nun mehr als 20 Jahren können sie frei und selbstbestimmt einen geeigneten Energieanbieter wählen. Auch für den Klimaschutz hat die Öffnung des europäischen Strommarktes viel Gutes bewirkt. Durch Wettbewerb hat sich der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in Deutschland vervielfacht. Hunderttausende Haushalte sind, dank der Energiewende, neben vielen neuen Unternehmen an der Stromerzeugung in Deutschland dezentral beteiligt. Bestrebungen von Unternehmen durch eine Aufteilung von Geschäftsaktivitäten an einzelnen Stufen der Wertschöpfungsketten „Strom und Gas“ eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen, widersprechen aus unserer Sicht den Prinzipien eines wettbewerbsorientierten Energiemarktes. Mit Sorge blicken wir daher auf die geplante Transaktion der beiden größten deutschen Energiekonzerne RWE und E.ON. Besonders beunruhigt uns die zukünftige Rolle von E.ON. Unserer Einschätzung nach sollte diese Fusion untersagt werden.
Wir befürchten, dass die neue E.ON als dann Deutschlands größter Grundversorger im Strom- und Gasbereich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Mitbewerbern hat und durch die häufig postleitzahlscharfen Tarife gegenüber den Mitbewerbern bevorteilt ist. Errechnungen des Ökostromanbieters „Lichtblick“ haben ergeben, dass die neue E.ON nach Abschluss der Transaktion im Strombereich auf 67-69% der deutschen Fläche Grundversorger wäre – im Gasmarkt auf ca. 50%. Durch die Gewinne aus dem lukrativen Grundversorgergeschäft entstünden der neuen E.ON finanzielle Spielräume, um direkte Konkurrenten im Preiskampf zu unterbieten. Ähnliches droht bei den Gewinnen, welche die neue E.ON aus dem staatlich regulierten Netzgeschäft beziehen könnte. Die Berechnungen von Lichtblick zeigen, dass nach Abschluss der Transaktion die neue E.ON, gemessen an der Netzlänge, bis zu 50% der deutschen Stromleitungen kontrolliert.
Wir befürchten insbesondere eine wettbewerbsschädigende Marktstellung der neuen E.ON auf jungen Innovationsmärkten wie dem Smart-Meter-Markt und der Ladesäuleninfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Die neue E.ON könnte nach Abschluss der Transaktion in ihrer Eigenschaft als Netzbetreiber sowie als Teilhaberin an zahlreichen weiteren Netzbetreibern eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Strom-Zählpunkte haben. Eine ähnliche Entwicklung droht auch im Bereich der Ladesäuleninfrastruktur. Dort besitzt die RWE-Tochter Innogy bereits heute die Marktführerschaft mit einem Anteil von rund einem Viertel der öffentlichen Ladepunkte.
Strom- und Gasmarkt in Deutschland sind lokale Märkte. So ist die heute gängige Auswahl eines Stromversorgers über Online-Tools in Deutschland immer an einen konkreten Postleitzahlenbezirk gebunden. Ebenso handelt es sich bei Ladesäulen um vorwiegend lokale Märkte. Gerade in diesen lokalen und regionalen Märkten bekäme die neue E.ON durch die Transaktion eine Vorrangstellung.
Die Energiewende steht derzeit in vielen Ländern Europas am Scheideweg. Vielerorts wird versucht, mit unverhältnismäßiger und unwahrer Kritik, die eigentliche Notwendigkeit dieses Jahrhundertprojektes in Frage zu stellen. Doch wenn Europa die Ziele des PariserKlimaschutzabkommens einhalten will, ist die Energiewende unverzichtbar.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Katharina Dröge, Julia Verlinden, Oliver Krischer und Ingrid Nestle