Bericht zu Veranstaltung „Legale Kriminalität? Steuerflucht großer Konzerne“ am 23. Januar 2019 in Elmshorn

Veranstaltung Legale Kriminalität? Steuerflucht großer Konzerne – 23. Januar 2019

Am 23. Januar habe ich mit Lisa Paus MdB, Sprecherin für Finanzpolitik der GRÜNEN Bundestagsfraktion, Karl-Martin Hentschel und 25 interessierten Gästen über Steuergerechtigkeit und Steuerflucht gesprochen.

Karl-Martin Hentschel wies auf die aktuelle Präsenz des Themas in deutschen Zeitungen hin, unter anderem ausgelöst durch die gerade veröffentlichte Studie der GRÜNEN Fraktion im europäischen Parlament. In den letzten 30 Jahren sei die Steuerquote für Unternehmen von nominal 48% auf 29% gesunken, effektiv würden nur 19% gezahlt. Auch im Erbrecht gibt es laut Karl-Martin Hentschel Handlungsbedarf. Die unzähligen Ausnahmeregelungen sorgen für massive Ungerechtigkeiten. Er sieht auf Dauer die Demokratie gefährdet, sollten diese Gerechtigkeitsprobleme weiterhin bestehen bleiben. Die Einflussmöglichkeiten auf die politischen Enterscheider*innen seien so ungleich verteilt, dass eine ernsthafte Regulierung der Konzerne nicht wirklich stattfindet. Dieser Mangel an Demokratie muss abgestellt werden, schloss Karl-Martin seinen Input.

Laut Lisa Paus ist das Steuersystem einer der Hauptgründe für die wachsende Ungleichheit. Enthüllungen wie die Panama und Paradise Papers oder auch die Cum-Ex-Skandale heben das Thema Steuerflucht, Steuertricks und Vergleichbares immer wieder auf die Agenda. Die politischen Konsequenzen sind allerdings viel zu schwach. Unzufrieden berichtete Lisa Paus von ihren Erfahrungen im Bundestag, fehlenden Möglichkeiten zur Einsicht in die Kontrollmechanismen der Regierung und Passivität in den zuständigen Ministerien. Dies illustrierte sie am Beispiel des innereuropäischen Unternehmenssteuerwettbewerbs zwischen Staaten, die sich gegenseitig bei den Steuersätzen unterbieten. Weiter führte sie aus, dass Steuertricks erst ab einer gewissen Investitionssumme möglich sind. Für kleine Unternehmen ist es kaum möglich, mit derlei Tricks Steuern zu umgehen. Große Player hingegen können ihren Vorteil gegenüber kleinen Konkurrenten noch ausbauen.

Dabei könnte die Regierung auch national eine Menge tun, um Steuergerechtigkeit zu schaffen. Zum Beispiel indem sie verbietet, dass Gewinne durch das Nutzen einer Marke fast komplett in Niedrigsteuerländer verschoben werden. So macht es zum Beispiel Starbucks. Anscheinend zahlt man dort nicht für den Kaffee, sondern für das hübsche Logo. Jedenfalls gehört das einem Konzernteil in den Niederlanden, der zufällig immer ziemlich genau so viel dafür bekommt, wie der Gewinn in Deutschland beträgt. Das verzerrt den Wettbewerb gegenüber kleineren Café-Betreibern und könnte beim entsprechenden politischen Willen einfach unterbunden werden.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Anzeigepflicht, welche als „scharfes Schwert“ gilt. Es wird massiv von großen Unternehmen dagegen gekämpft. Anwaltskanzleien sind teilweise darauf spezialisiert, legal Steuern zu hinterziehen, indem sie Lücken nutzen, die vom Gesetzgeber so nicht vorgesehen sind. Es wäre wichtig, dass eine Anzeigepflicht für solche Lücken und Mechanismen gegenüber den jeweils zuständigen Finanzbehörden kommt, sodass die Politik diese Schlupflöcher früher schließen kann. Gegen diesen Vorschlag wenden sich allerdings nicht nur Konzerne und deren Vertreter sondern auch beispielsweise die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Andere Verbesserungen könnten auf europäischer Ebene beschlossen werden. Ein Rezept gegen viele der problematischen Vorgänge wäre ein europäischer Mindeststeuersatz. Das bedeutet, dass europaweit eine feste Untergrenze für Steuersätze für Unternehmen gibt.  Dieses würde die innereuropäischen Ungleichheiten verringern und die Steuersümpfe, die es in der EU gibt, trocken legen.

Eine weitere Maßnahme wäre das Schaffen von mehr Transparenz durch ein verpflichtendes Country-by-Country-Reporting durch Großkonzerne. Das bedeutet, dass Konzerne, die in mehreren Ländern aktiv sind, an die staatlichen Steuerbehörden länderspezifische Berichte über Geschäft, Umsatz und Gewinn liefern müssen. Gegenüber den Steuerbehörden der EU ist dieses System bereits in Anwendung, nicht jedoch gegenüber den einzelnen Ländern. Dabei fehlt die Möglichkeit einer Bewertung und Befassung dieser Berichte im politischen Raum. Lisa Paus befürchtet, dass das Steuergeheimnis und nationale Interessen große Hindernisse bleiben und die Regierung auch weiterhin nicht entschlossen genug handelt. Skandale und Lücken werden nur von Dritten, NGOs oder Journalist*innen aufgedeckt und lediglich auf dieser Grundlage gibt es Reaktionen oder neue Gesetzesinitiativen. Viele Steuertricks könnten auch durch eine Gesamtkonzernsteuer verhindert werden.

Darüber hinaus gibt es noch die illegale Steuerhinterziehung, bei der bewusst oder unbewusst gegen geltendes Steuerrecht verstoßen wird. Beispielsweise in den Paradise Papers wurden Steuerhinterzieher*innen aus Deutschland benannt. Die Verfahren gegen sie laufen noch, weitere rechtliche Konsequenzen sind aus den Papieren nur sehr begrenzt gezogen worden. Einige Whistleblower*innen, die die Daten zugänglich gemacht haben, sind jedoch bereits verurteilt. Daher gilt es auch, Whistleblower*innen gesetzlich besser zu schützen.

Mit Öffnung der Diskussion für die Gäste kamen verschiedenste interessante Aspekte zur Sprache. Es gibt erste Ansätze in Richtung der Lockerung beim steuerlichen Bankgeheimnis. In Schweden z.B. gibt es kein Steuergeheimnis, sondern komplette Transparenz in Form eines öffentlichen Steuerregisters. Ganz so weit würde ich in Deutschland aber auch nicht gehen.

Karl-Martin Hentschel schlägt vor die Einkommens- und Steuergerechtigkeit in die Verfassung aufzunehmen – beispielweise nach dem Gini-Koeffizienten. Es soll ein Automatismus entstehen, demnach Regierungen gesetzlich reagieren müssen, wenn ein bestimmtes Maß an Vermögensverteilung nicht erreicht ist.

Insgesamt vertrat er die Einschätzung, dass es mit der Steuergerechtigkeit langsam vorangeht – nicht zuletzt  durch die gerade veröffentlichte Studie der Grünen Europaparlamentsfraktion. Auch weil zivilgesellschaftliche Akteure kontinuierlich daran arbeiten, dem finanzstarken Lobbyismus etwas entgegenzusetzen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben, bleiben die Forderungen, auch die der Grünen, laut.