kleine Anfrage: Szenariorahmen 2035 für die Netzentwicklungsplanung

Der Szenariorahmen ist der Ausgangspunkt für die Stromnetzplanung in Deutschland. Hier werden die Grundannahmen und Rahmenbedingungen ausformuliert, auf denen die Modellierungen für den anschließenden Netzentwicklungsplan aufsetzen. Er übernimmt eine maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Transformation der Energieversorgung Deutschlands mit einem wachsenden Anteil von Erneuerbaren Energien. Darum ist es besonders wichtig, dass dieser Schritt unter bestmöglicher Berücksichtigung der verfügbaren Erkenntnisse und Erfahrungen vorgenommen wird.

Daher ist es dringend geboten, dass die Bundesregierung ihre niedrigen Erneuerbaren-Energien-Ziele nach oben korrigiert, um die Klimaschutzziele sicher zu erreichen (vgl. prognos (2020): Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050; Öko-Institut (2020): Treibhausgasminderungswirkung des Klimaschutzprogramms 2030). Im Szenariorahmen macht die Bundesnetzagentur deutlich, dass sie die Erreichung der CO2-Ziele aus dem Klimaschutzgesetz und den Klimaschutzplänen der Bundesregierung als gefährdet ansieht (vgl. Genehmigung des Szenariorahmens 2021-2035, S.17). Auch in der öffentlichen Konsultation des Szenariorahmens wurde die Kritik geäußert, dass die CO2-Obergrenze in den Szenarien zu hoch sei und gesenkt werden müsse. Dies kann nur von Regierung und Parlament korrigiert werden (vgl. Genehmigung des Szenariorahmens 2021-2035, S.20). Eine klare Zielvorgabe zum Ausbau der erneuerbaren Energien über das Jahr 2030 hinaus wäre hilfreich für ein klares Bild. Auch hier sind die Bundesregierung und das Parlament gefordert.

Unsere Gesellschaft braucht ein Stromnetz, das den zukünftigen Tatsachen Rechnung trägt. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit dem Szenariorahmen, der die Grundlage des nächsten Netzentwicklungsplans sein wird, bereits heute das Fundament für die Erfüllung der anstehenden Klimaschutzziele zu legen.

Wir fragen die Bundesregierung:

  1. Wie plant die Bundesregierung sicherzustellen, dass die Marktsimulationen auf Basis der Szenarien kompatibel mit den 2016 beschlossenen Pariser Klimazielen sein werden?
  2. Wie plant die Bundesregierung dabei unter anderem mit den bereits jetzt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen umzugehen, wonach die aktuell im Klimaschutzgesetz enthaltenen Maßnahmen nicht ausreichen um die eigenen Klimaschutzziele zu erreichen (vgl. UBA 2020: Treibhausgasminderungswirkung des Klimaschutzprogramms 2030; Prognos 2020: Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgeabschätzungen 2030/2050)?
  3. Warum beauftragt die Bundesregierung im Rahmen des Szenariorahmens sowie der anschließenden Marktsimulation bislang keine CO2-Budgetbetrachtung bis 2035, die mit den Pariser Klimazielen kompatibel ist?
  4. Auf welche Weise wird bei der Szenarienerstellung der Einfluss der europäischen ETS-Zertifikatspreise auf die Einsatzplanung deutscher fossiler Kraftwerke sowie auf den Zeitpunkt ihrer dauerhaften Außerbetriebnahme berücksichtigt?
  5. Wie will die Bundesregierung die im Szenariorahmen angenommenen energiewirtschaftlichen Entwicklungen sowie die darauf aufbauenden Annahmen zur Notwendigkeit des Netzausbaus für die Bürgerinnen und Bürger leichter nachvollziehbar und verständlich machen?
  6. Welche konkreten Annahmen zum Stromverbrauch durch „neue Stromanwendungen im Rahmen der Sektorkopplung“ (vgl. Genehmigung des Szenariorahmens 2021-2035, S. 61) haben die Nettostromverbrauchsannahme des genehmigten Szenariorahmens im Vergleich zur Entwurfsfassung reduziert (bitte differenziert nach Stromanwendung, Szenario, Verbrauchsannahmen pro Einheit, Grund für Abweichung vom Entwurf auflisten)?
  7. Warum wurden keine Szenarien modelliert, die von einem deutlich höheren Stromverbrauch ausgehen, obwohl die Bundesregierung selbst der Ansicht ist, dass aktuelle Projektionen mit Unsicherheiten behaftet sind und dass vorliegende wissenschaftliche Studien erhebliche Bandbreiten für die Entwicklung des Stromverbrauchs aufweisen (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 19/17475 https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/189/1918993.pdf)?
  8. Warum wird in der Modellierung der Treibhausgasemissionen des Bereichs Energiewirtschaft für 1990 ein Wert von 455,5 Mio. t CO2 -Äquivalente statt der sonst angesetzten 466 Mio. t CO2 und für 2030 ein Zielwert von 180 Mio. t CO2 statt der 175 Mio. t CO2-Äquivalent (vgl. https://www.bmu.de/media/entwicklung-der-gesamten-treibhausgasemissionen-nach-quellbereichen-1990-bis-2035/) entsprechend des Klimaschutzgesetzes verwendet?
  9. Von welchem Mehrbedarf an Strom je Sektor bis 2030, bis 2035 und bis 2050 gegenüber 2019 geht die Bundesregierung aus?
  10. Wie erklärt die Bundesregierung die im Vergleich zum Entwurf des Szenariorahmens gesunkenen Prognosen zum Bruttostromverbrauch in den Szenarien B und C um 13 TWh respektive 42 TWh?
  11. Welche Methodik wird der Modellierung regional spezifischer Entwicklungen des Stromverbrauchs zugrunde gelegt und wird dabei ein top-down oder ein bottom-up Ansatz gewählt, werden also vom angenommenen deutschen Gesamtstromverbrauch ausgehend regional wahrscheinliche Lasten abgeleitet oder stattdessen die regionalen Verbräuche zusammengerechnet um den Gesamtstromverbrauch zu ermitteln?
  12. Wo sieht die Bundesregierung Verbesserungsbedarf bei der Einschätzung des Stromverbrauchs und seiner regionalen Zuordnung?
  13. Wie plant die Bundesregierung den von ihr angenommenen zusätzlichen Stromverbrauch durch Sektorenkopplung und Industriemehrverbrauch von 95,5 TWh (Szenario A), 126,7 TWh (Szenario B) bzw. 169,7 TWh (Szenario C) so auszugleichen, dass der Bruttostromverbrauch 2035 dennoch nur 639,80 TWh (Szenario A), 656,9 TWh (Szenario B) und 686,9 TWh (Szenario C) sein wird?
  14. Wie erklärt die Bundesregierung die geringere Brutto-Netto-Differenz im genehmigten Szenariorahmen gegenüber der Entwurfsfassung?
  15. Was bedeuten im Kontext des Szenariorahmens die Begriffe Netzorientierung und Netzdienlichkeit und welche Kriterien liegen ihnen jeweils zugrunde?
  16. Welche quantitativen Auswirkungen auf den Netzausbau bewirken unterschiedliche Ausprägungen der Merkmale Netzorientierung und Netzdienlichkeit?
  17. Wieso wird der Eigenverbrauch der Kraftwerke niedriger angesetzt als im Entwurf, obwohl eine höhere fossile Energieproduktion angenommen wird?
  18. Wie wird der Eigenverbrauch der Kraftwerke im genehmigten Szenariorahmen konkret berechnet und basierend auf welchen Daten?
  19. Welche Berechnungen und Modellierungen wurden zur Ermittlung der jeweiligen Zubaumengen der erneuerbaren Energien angestellt und wo und wie unterscheiden sich die verwendeten Annahmen?
  20. Wie plant die Bundesregierung auf die Forderung nach der Verbesserung der Akzeptanz von Windenergieanlagen an Land (vgl. Genehmigung des Szenariorahmens 2021-2035, S.67, S.72, S.77, S. 82) einzugehen und auf welche empirische Erkenntnisse zu akzeptanzsteigernden Maßnahmen beruft sie sich dabei?
  21. Bei welchen Öffentlichkeits- und Dialogveranstaltungen zu den letzten drei Szenariorahmen waren Regierungsmitglieder anwesend und an der Debatte beteiligt (bitte um Auflistung des Ortes und des Datums der Veranstaltung, Name und Position des Regierungsmitgliedes und Rolle bei der Veranstaltung)?
  22. Bei welchen öffentlichen Dialogveranstaltungen zu den letzten drei Szenariorahmen waren führende Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des BMWi anwesend und an der Debatte beteiligt (bitte um Auflistung des Ortes und des Datum der Veranstaltung, Name und Position des Mitarbeitenden und Rolle bei der Veranstaltung)?
  23. Welcher Ort ist nach Meinung der Bundesregierung geeignet, um Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zum grundsätzlichen politischen Konzept der Energiewende und zu den politischen Hintergründen und Grundsatzentscheidungen in der Netzplanung zu beantworten, die beispielsweise in der Konsultation zum Szenariorahmen aufkommen dort aber nicht beantwortet werden können?
  24. Wie beabsichtigt die Bundesregierung darauf zu reagieren, dass der Stromsektor durch die steigende Sektorkopplung zunehmend zur Zielerreichung des Anteils der Erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch beiträgt und damit aber den EE-Anteil am Bruttostromverbrauch schmälert und somit ein Zielkonflikt absehbar ist?
  25. Wie plant die Bundesregierung das im Szenariorahmen angewandte Konzept der Netzorientierung umzusetzen beziehungsweise wie plant sie Verbraucher und Verbraucherinnen sowie Stromproduzierende dazu anzureizen ihre Aus- bzw. Einspeisung netzorientiert vorzunehmen?
  26. Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber der Überlegung einer verpflichtenden Vorlage von Netzentwicklungsplänen durch die Verteilnetzbetreiber und ein Widerspruchsrecht des Regulierers vorzusehen?

Die Antwort der Bundesregierung finden Sie hier.