Gastbeitrag: Nachhaltigen Wasserstoff und die Jobs der Zukunft gibt es nur mit grünem Strom
Gut Ding will Weile haben. Doch nach monatelangem Warten auf die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hätten wir in diesem zentral wichtigen Bereich deutlich mehr erwartet. Die Strategie steckt voller schöner Worte. Doch wer inhaltliche Orientierung oder gar einen Beitrag zum Klimaschutz sucht, geht leider weitgehend leer aus.
Zu Recht spricht die Bundesregierung vom Markthochlauf und Heimatmarkt für Wasserstoff – hat aber erkennbar keinen erneuerbaren Strom für Wasserstoff eingeplant. Ganz im Gegenteil: Der Ausbau von Wind an Land ist zusammengebrochen, Solarstrom bremst die Regierung durch einen Deckel und bei der Offshore Windenergie hat sie viel zu spät und zögerlich eine kleine Kehrwende versucht, die jetzt kaum noch umzusetzen ist. Dieser tiefe Bruch zieht sich durch die ganze Wasserstoffstrategie der Bundesregierung.
Die Regierung stellt in ihrer Wasserstoffstrategie klar fest, dass nur grüner Wasserstoff auf Dauer nachhaltig ist. Doch 80% des Wasserstoffes soll laut Bundesregierung in 2030 grauer Wasserstoff sein. Damit wird jedes zusätzliche Wasserstoffprojekt ein Problem für das Klima – denn solcher Wasserstoff bedeutet bei den meisten Anwendungen höhere CO2-Emissionen als die direkte Verbrennung fossiler Energieträger. Statt einer Riesenchance macht die Regierung damit aus dem Projekt Wasserstoff ein Fiasko für das Klima, das sie „im Industriemaßstab systemisch zur Anwendungsreife“ bringen will. Mit grünem Strom wäre das eine gute Idee. Nicht so. Aufgrund ihrer Blockade bei den Erneuerbaren muss die Bundesregierung selbst für die restlichen 20% zunächst blauen – und damit fossilen – Wasserstoff in den Mittelpunkt ihrer Strategie stellen.
Multitalent Wasserstoff
Die Wasserstoffindustrie verspricht nicht nur die Energiewende voranzubringen, sondern auch ein wirtschaftlich bedeutsamer Industriesektor und Arbeitgeber zu werden. Deshalb muss die Bundesregierung dringend Orientierung liefern, wo die Reise hingehen wird. Doch leider bleibt sie die Antworten schuldig. Beispiel Erzeugung: Maßnahme 1 soll geprüft werden, Maßnahme 2 getestet, Maßnahme 3 ist das Versprechen Steuergeld auszugeben (Gegenfinanzierung nicht erwähnt), und mit Maßnahme 4 sollen für Wasserstoff extra Offshore-Felder aufgestellt werden, obwohl schon keiner weiß, wie die späte Rückwärtsrolle der Regierung mit zusätzlichem Offshore-Strom zur Absicherung des Kohleausstiegs bis 2030 überhaupt noch realisiert werden kann. Ständig fordert die Union mehr stetige Stromproduktion für den klassischen Stromsektor. Jetzt soll ausgerechnet der sehr stetige Offshore-Strom gleichzeitig noch die gigantischen Lücken in der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung kaschieren. Kohärenz scheint nicht die Stärke dieser Regierung zu sein.
Es gibt auch keine Priorisierung, wo das knappe Gut vorrangig eingesetzt werden soll. Wasserstoff ist ein echtes Multitalent und kann in vielen Sektoren gut verbraucht werden. Die Herausforderung ist eher die bezahlbare und grüne Produktion. Die Bundesregierung zählt alle theoretisch denkbaren Einsatzfelder auf und nennt bei jedem die Vorteile. Orientierung liefert das nicht. Und das gilt leider auch für alle anderen brennenden Fragen: Beimischung oder Pipelines nur für Wasserstoff? Welcher wirtschaftliche Anreiz soll zur Erprobung von Importrouten und -technologien führen? Wie kann die lange ersehnte Reform bei den Abgaben und Umlagen aussehen? Fragen ohne Antworten. Und auch die technologieoffene Forschungsförderung bleibt ein weiteres Geheimnis der Bundesregierung – meiner Erfahrung nach geht es bei Förderung um konkrete Technologien und das ist richtig so, schließlich steht der zielgerichtete Umgang mit Steuergeld auf dem Spiel.
Wasserstoff – ein kostbares Gut
Die hohen Umwandlungsverluste von Wasserstoff sprechen eindeutig für eine prioritäre Nutzung von grünem Strom. In den Bereichen Schwerlast, Flugverkehr und Schifffahrt sind alternative Antriebe mit Wasserstoff aber sinnvoll. Weitere schlüssige Anwendungsbereiche sind die klimaneutrale Industrie sowie die Speicherung von erneuerbarem Strom. Allein die klimaneutrale Industrie wird Wasserstoff in so großen Mengen benötigen, dass es fahrlässig wäre, den Wasserstoff in anderen Bereichen zu verschwenden. Doch die Bundesregierung will mit dem Einsatz von Wasserstoff für schwere PKW vor allem klimaschädlichen SUV-Fahrern entgegenkommen. Der Verkehr der Zukunft sieht anders aus.
Unsere weiteren Antworten sind: Abgaben und Umlagen sollten dann und dort abgesenkt werden, wo viel erneuerbarer Strom ist. Den wertvollen Wasserstoff wollen wir weitgehend in eigenen Strukturen nutzen. Und als Anreiz für die Erprobung von Importstrukturen könnte eine sehr kleine Quote für grünes Kerosin erste Erfahrungen liefern. Die Zukunft der Wasserstoffindustrie muss ein klares politisches Bekenntnis sein zu grünem Wasserstoff. So könnte eine Strategie aussehen, die mehr ist als ein hübsches Papier, dessen konkreteste Aussagen sich auf die Gründung mehrerer Arbeitskreise beziehen.
Versorgungssicherheit lässt sich nicht abschieben
Bisher wird die Versorgungssicherheit in Deutschland sehr, sehr ernst genommen. Zu Recht. Diesen Anspruch dürfen wir beim Thema Wasserstoff nicht aufgeben. Wir brauchen verlässliche und bezahlbare Lösungen für unsere Energieversorgung und für die Erreichung der Klimaziele. Denn die Klimakrise findet hier, heute und jetzt statt!
Dieser Gastbeitrag ist am 06.02.2020 auf der Webseite der Stiftung Energie und Klimaschutz hier erschienen.